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Hersteller unter Druck
Interview zur Entwicklung des Marktes für Dokumentenmanagement
Der Markt für DMS-Software hat in der Vergangenheit schon einige, zumeist Marketing-getriebene Metamorphosen vollzogen. Heute dominieren Begriffe wie E-Business, Knowledge- oder Content-Managememt die Produktbroschüren. Nicht von ungefähr, wie Felix v. Bredow, Kenner der DMS-Szene meint. Für Berater bei der Hamburger Project Consult Unternehmensberatung steht schon seit geraumer Zeit fest, dass Dokumentmanagement als eigenständige Disziplin in der IT-Landschaft nicht bestehen wird. Im Gespräch mit NetworkWorld skizziert er die aktuellen Markttendenzen.
(NW: Achim Born, NetworkWorld; FvB: Felix von Bredow)
NW:
Herr von Bredow, Sie ergänzen Dokumentenmanagementtechnologien mit dem Zusatz "Related" und rechnen mit dem Verschwinden eines eigenständigen DMS-Marktsegments. Wie wird sich die DMS-Anbieter-Schar dann künftig orientieren?
FvB:
Wollen sie überleben, müssen sie die Produktpolitik ändern. Denn was die DMS-Anbieter lange Jahre aufrechterhalten konnten, wird in Zukunft ein Ausschlußkriterium sein. Fast alle Anbieter lieferten ihre Produkte mit eigenen Clienten aus, die auf Grund ihrer zumeist Two-Tiered Architektur auf eigene Fachfunktionalitäten angewiesen waren und somit im Client/Server-Umfeld als Fat-Clients ausgeliefert worden sind. Dieses hatte zur Folge, dass Dokumenten-Management-Funktionen eigentlich nur über den entsprechenden Clienten zur Verfügung standen. Mit anderen Anwendungen konnte man zwar auf ein Archiv relativ unkompliziert zugreifen, da dieses aber ein reines Repository darstellt, ist dieses sinnvoller Weise "dumm" ausgelegt. Das Enabling von Dokumenten-Management war daher meist nur über Kunstgriffe realisierbar. Zur Zeit arbeiten alle namhaften Hersteller wie z. B. die CE AG oder Win!DMS, deren Produkt bereits verfügbar ist, an Drei-Schichten-Architekturen, die die Nutzung der benötigten Funktionen durch andere Anwendungen unkomplizierter und damit selbstverständlich machen. Die Spezialisierung der Anbieter wird daher darin liegen, die eigene Software in inhomogenen Landschaften im Zusammenspiel mit den unterschiedlichsten Anwendungen für einen harmonischen Betrieb ausliefern zu können. Dieses zieht zukünftig zwangsläufig eine höhere Dienstleistungsorientierung nach sich. Auf der anderen Seite bestimmte auch schon in den letzten Jahren weniger der Verkauf von Softwarelizenzen, als die verkauften Dienstleistungen in Form von Entwicklung individueller Lösungen den Umsatz.
NW:
Auf welchen Gebieten und mit welchen Techniken werden und können sich DMS-Anbieter weiterhin differenzieren?
FvB:
Eine der großen Herausforderung heute stellt das Thema ASP dar. Auch wenn die Anbieter zur Zeit auch noch Schwierigkeiten haben, sich hier eindeutig zu positionieren. Das liegt zum einen daran, dass in diesem Bereich keine umfangreichen Dienstleistungen verkauft werden können, zum anderen bedeutet dieser Markt aber zugleich die Kanibalisierung der eigenen herkömmlichen Märkte. Auch das Thema Transaktionsarchivierung von Internetangeboten stellt eine große Herausforderung dar. Geschäfte werden zunehmend über das Internet abgewickelt. Da in diesem Bereich ganz neuartige Dokumente zu betrachten sind, sind auch neue Techniken zu entwickeln, um hier rechtlichen und revisionistischen Anforderungen gerecht werden zu können. Die Differenzierung der herkömmlichen DMS-Anbieter hat bereits begonnen, wie man schon an den Slogans der Anbieter erkennen kann: "Intelligence for Business" (CE AG), "Kundenlösungen aus einer Hand" (SER), "World of Knowledge" (Win!DMS), "Software for Documents" (Easy), "The Substance behind eBusiness" (FileNET) etc.
NW:
Jenseits des jeweiligen Marketing-Hypes um eBusiness und KM - welche stabilen Trends begleiten den DMS-Markt in den nächsten Jahren?
FvB:
Der stabilste Trend, der zugleich die meisten Veränderungen nach sich zieht, ist mit Sicherheit das Internet. Dabei sind die Entwicklungsmöglichkeiten für jeden einzelnen Anbieter sehr vielfältig. Ein Trend, um den sich bisher kaum ein DMS-Anbieter gekümmert hat, ist beispielsweise die digitale Signatur. Sicherlich existieren zur Zeit schon viele Produkte, mit denen man Dokumente elektronisch unterschreiben und auch verifizieren kann. Das wesentliche Problem wird die Aufbewahrung von Dokumenten und Dokumentenkollektionen im Original sein, also eventuell codiert, geschachtelt oder sonstwie organisiert. Hier gilt es entsprechend der Aufbewahrungsfristen auch noch nach Jahren die Gültigkeit einer Unterschrift nachzuweisen und die Dokumente in ihrem Kontext wieder sichtbar machen zu können.
NW:
Networkworld: Als stabil im DMS-Markt erweist sich insbesondere ein Trend: Die Preise fallen...
FvB:
Ob die Preise wirklich so dramatisch gefallen sind, wage ich zu bezweifeln. Produkte im unteren Segment sind sicherlich preiswerter geworden, im oberen Segment ist dieser Verfall jedoch nicht so deutlich zu spüren. Dieses betrifft aber nur die eigentlichen Softwarelizenzen. Der Trend der Produktanbieter geht aber verstärkt in die Richtung eigene Dienstleistungen anzubieten. Viele Anbieter bieten beispielsweise eigene Consulting- und Integrations-Dienste an. Hat ein Unternehmen sich mit den "Vorteilen" alles aus einer Hand zu bekommen eingelassen, so kann beobachtet werden, dass die Gesamtprojektkosten keinesfalls geringer geworden sind. Zum einen kann dieses mit der steigenden Komplexität der Aufgabenstellungen begründet werden, zum anderen zeigt sich aber, dass bei einer Unterstützung durch neutrale Berater diese Aufwände vergleichsweise geringer ausfallen. Nur dann kann ein Kunde sicher gehen, nicht die Produktentwicklung des Anbieters mitzufinanzieren muß.
NW:
Wird der Einstieg von Microsoft einen neuerlichen Preisdruck ausüben?
FvB:
Microsoft wird Tahoe im unteren bis mittleren Segment schnell in der Fläche ausbreiten können und in den kommenden Jahren werden einige hier aktive Anbieter vollkommen verschwinden, zumindest aber ihre Eigenständigkeit verlieren. Ob den derzeitigen Anbietern wie A.I.S. oder DokMan eine Neugestaltung der eigenen Preisstrukturen das Überleben sichern werden, darf an dieser Stelle bezweifelt werden. Zu erwarten ist jedenfalls, daß Microsoft sich fast ausschließlich in dem genannten Segment etablieren wird. Auf der einen Seite wird zumindest die erste Version nicht für den hochperformanten Bereich ausgelegt sein, auf der anderen Seite wird mit Tahoe Dokumenten-Management und Workflow selbstverständlich. Doch ob damit auch die hohen deutschen rechtlichen Anforderungen abgedeckt werden können, kann bei einem weltweit einheitlichem Produkt bezweifelt werden.
NW:
Wird Tahoe auch nach oben wirken?
FvB:
Auch für die oberen Segmente sind Impulse zu erwarten. Die Anbieter in diesem Feld werden ein wenig unter Druck geraten. Dem werden sie nur entgegentreten können, indem ihre Produkte schnellstmöglich auf den neuesten Stand gebracht werden. Denn nur wer einem Kunden schon frühzeitig beweisen kann, dass er das bessere Produkt hat, wird die Chance erhalten, sich zu präsentieren. Einigen Herstellern war es in den letzten Jahren teilweise ausreichend, ihre bestehenden Kunden zu betreuen, anstelle die eigene Produktentwicklung zu forcieren. Durch Tahoe werden Werte wie Innovationskraft, Zuverlässigkeit und Stabilität für die Anbieter wieder einen höheren Stellenwert besitzen.
NW:
Wird Microsoft durch das Tahoe-Dateisystem für eine De-facto-Standardisierung sorgen?
FvB:
Fast alles, was Microsoft bisher auf den Markt gebracht hat, kann heute als De-facto-Standard betrachtet werden. So wird es dem Tahoe-Dateisystem aber nur in Teilen gehen. Zur Zeit wird noch über den tatsächlich bei der Auslieferung enthaltenen Funktionsumfang spekuliert. Fakt ist, daß dieses Dateisystem rein Server-seitig verwendet werden wird. Client-seitig ist dieses Dateisystem aus dem Pflichtheft für das neue Officepaket herausgefallen, womit dringender Bedarf entstehen wird etwa Travelling User in einem ganzheitlichen Konzept zu integrieren. Dieses ist sicherlich auch geschehen, um den bestehenden Partnern zumindest ein Geschäftsfeld zu überlassen.
NW:
Werden denn Gremien wie DMA, ODMA o.ä. endlich normative Kraft entfalten?
FvB:
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass der Markt sich selbst regelt. ODMA als reine Windows-basierte Dokumenten-Management-Schnittstelle hat schon seit längerem die Orientierung in Richtung Internet verschlafen und wird daher eher in der Bedeutungslosigkeit versinken, als daß aus dieser Richtung noch irgendwelche Impulse zu erwarten wären. Selbst Microsoft unterstützt diesen Standard nicht mehr mit allen Produkten. Im Zuge von Tahoe erübrigt sich dieses Thema daher von alleine. Auch von der DMA sind keine richtungsweisenden Vorgaben mehr zu erwarten. Die DMA beschreibt in ihrer Spezifikation Dokumenten-Management eben als jenen Basisdienst oder Middleware, wie es heute allgemeinhin gefordert wird. Das Problem der DMA ist nur, daß die beschriebene Architektur seiner Zeit einfach ein wenig voraus war. In Zeiten, in denen die Anbieter gutes Geld mit ihren individuellen Fat-Client-Lösungen verdient haben, sahen die Hersteller eher die Gefahr ihr eigenes Geschäft mit solchen flexiblen Lösungen zu untergraben als damit Vorteile für sich zu generieren. Getrieben vom Internet werden diese Ideen nun zwar doch umgesetzt, aber eben nicht auf Grundlage dieser inzwischen veralteten Vorgaben. Die von der DMA beschriebenen Schnittstellen werden zwar wahrscheinlich sinngemäß umgesetzt, dennoch haben die Hersteller erkannt, daß mit Technologien wie XML nach außen die geforderte Offenheit gewahrt werden kann, wobei gleichzeitig durch die Verwendung sehr eigenständiger DTD's ein Höchstmaß an Anwenderabhängigkeit erzeugt werden kann.
NW:
An welchen Standards sollten sich Anwender ansonsten orientieren?
FvB:
Internationale Standards, neben den oben genannten, existieren zur Zeit nicht. Dennoch sind bei der ISO zur Zeit zwei unterschiedliche Spezifikationen in der finalen Abstimmungsphase. Zuerst ist an dieser Stelle der DIN/ISO 15489 Records Management zu nennen. Dieses Werk sollte der Anwender aber mehr als Grundlagenorientierung verstehen, da dort keine technischen Vorgaben enthalten sind, sondern dieser eher als grundlegende Begriffsdefinition zu deuten ist. Weitaus interessanter für den Anwender sollte aber die Standardisierung der internationalen Raumfahrtbehörden unter der Bezeichnung OAIS Open Archival Information System sein. Hier wird in hohem Maß auf Interoperabilität unterschiedlicher Produkte wert gelegt. Durch die sehr komplett beschriebenen Modelle kann diese Spezifikation als guter Leitfaden bezeichnet werden.
NW:
Vielen Dank für das Gespräch!

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Seitentitel: Interview_NW_2001, Zitierung: http://www.PROJECT-CONSULT.com/home.asp?SR=305
Zuletzt aktualisiert am: 4.12.2001
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